KI, die heftigste Versuchung, seit des Content Marketing gibt! Vorbei die Zeit, als wir mit Texten und Bildern rangelten – und dann auch noch alle Themen selbst gliedern mussten. All das kommt jetzt aus der Box, bzw. aus GPTs und .ai-Tools. Ich habe mit Sebastian Deubelli, einem spezialisierten Münchener Fachanwalt für Medienrecht und Urheberrecht gesprochen – ist wirklich alles so easy, wie es derzeit scheint? Hier eine Zusammenfassung.
Die erste Frage, die dem Experten zufolge noch vor Gerichten ausgestritten wird, ist die Urheberrechtsfrage. Diese Klärung hat jedoch zunächst nichts zu tun mit den Werken, die wir als Content-Schöpfer mit KI generieren. Sondern: Kern des Rechtsstreits sind die Daten, mit denen die großen KI-Modelle (z.B. die großen Sprachmodelle, aber auch bildgebende KI) trainiert wurden.
Akuter Rechtsstreit fokussiert auf Trainingsdaten, nicht auf KI-Endprodukte
Denn die großen Modelle haben alles eingesaugt: Wissenschaftliche Werke, Webseiteninhalte, Stockbild-Material, digitale Fotografien, PDF-Inhalte und vieles mehr. Einfach so. Ohne zu fragen. Dabei gilt aber: Alles, was eine gewisse Schöpfungshöhe erkennen lässt, lässt sich einem Urheber zuordnen – und ist damit urheberrechtlich geschützt und anfechtbar. Zumindest theoretisch.
Ein Knackpunkt von vielen ist, ob überhaupt der Beweis erbracht werden kann, dass ein individuelles oder gesammeltes Werk in die Trainingsdaten eingeflossen ist. Doch die KIs selbst geben hier Aufschluss: Wenn beispielsweise ein Prompt funktioniert, der lautet „Schreibe einen Songtext im Stil von Herbert Grönemeyer“, und die KI schafft es – dann liegt der Verdacht mehr als nahe, dass Grönemeyers Werke unter den Trainingsdaten waren.
Reine KI-Produkte erst einmal nicht vom Urheberrecht betroffen
Doch damit zur ersten wichtigen Erkenntnis für Content Marketer: Das, was die KI auf Basis eines Prompts oder iterativer Prompts spontan aus den vielen Trainingsdaten macht, ist NICHT urheberrechtlich geschützt. Nur Menschen können Urheber sein – so ist aktuell die Rechtslage. Hinzu kommt eine technische Tatsache:
„Was die KI macht, wenn ich sie bediene, kommt nicht einer Suche in einem großen, womöglich geschützten Datenpool gleich, sondern die KI-Werke entstehen jeweils spontan auf Basis der Muster, die in den Abermilliarden Trainingsinhalten entdeckt, erlernt und quasi in der DNA der KI abgelegt wurden.“ (Sebastian Deubelli)
Wann es trotzdem kritisch werden kann: Drittrechte und Persönlichkeitsrechte
Somit kann es tatsächlich zunächst Entwarnung geben: KI-Produkte dürfen verwendet werden – auch kommerziell – denn es gibt darin per se keine Schnittmenge zum Urheberrecht. Es gibt jedoch andere Rechtspositionen, die berührt werden können und problematisch werden können:
- Drittrechte: Ein Produkt einer bildgebenden KI erinnert eindeutig an eine Figur oder ein Artefakt, das lizenz- oder markenrechtlich von Dritten geschützt wurde. Beispiel ist ein KI-generiertes Bild von einem Mann im Superman-Kostüm, der nicht Superman ist.
- Persönlichkeitsrechte: Sollte eine bildgebende KI eine Person erzeugen, die einer real existierenden Person fast bis auf das Haar gleicht – und sollte dieses Bild z.B. werblich öffentlichkeitswirksam genutzt werden, dann könnte die betroffene Person gegen diese Art der Nutzung klagen.
Daher lautet ein wichtiges Zwischenfazit: Finger weg von der KI-basierten Nachahmung geschützter Figuren, Charaktere und Kunstprodukte sowie von der Darstellung realer Personen. Für andere Produkte gilt: Do it!
Exkurs: Wie durch „hybride Werke“ wieder neues Urheberrecht entstehen kann
Es ist den Unternehmen oder Content Marketing Abteilungen selbst überlassen, ob sie reine KI-Produkte ungeprüft verwenden oder veröffentlichen möchten. Bei KI-Texten ist mindestens die Frage, ob alles faktisch richtig ist, was darinsteht. Und ob der Schreibstil zur Marke des Herausgebers passt, darf man sich auch fragen (allerdings kann sich die KI auch individuelle Schreibstile durch Training aneignen).
Viele Unternehmen entscheiden sich bereits heute dafür, KI für Konzeptionen oder Rohprodukte zu verwenden, die anschließend mit Hilfe von Redakteuren oder Bildredakteuren und anderen Digital-Designern veredelt und entwickelt werden. Hier gilt laut Sebastian Deubelli: „Wenn dabei eine Schöpfungshöhe erreicht wird, die das KI-Produkt deutlich übertrifft, entsteht auch wieder ein neues Urheberrecht.“
Hybride Werke sind damit rechtlich aus derzeitiger Sicht ziemlich unproblematisch. Im Gegenteil, dadurch können die Schöpfer wieder neue Ansprüche gewinnen – und die Verwerter neuen Schutz. Reine KI-Werke ohne menschlich hinzugefügte Schöpfungshöhe könnten hingegen – so eine verbreitete Interpretation der aktuellen Rechtslage – relativ leicht von anderen Unternehmen übernommen und sogar in anderen Zusammenhängen genutzt werden.
Warum es doch noch kompliziert werden könnte: Fluide Rechtslage
Wichtig zu verstehen ist: Auch das Recht ist nicht in Stein gemeißelt. Derzeit laufen eben Versuche, eine neue Technologie mit bestehenden Gesetzen zu greifen. Kommt jedoch dabei heraus, dass es nicht rechtens war, die für das Training der bestehenden großen Modelle genutzten Daten zu verwenden – theoretisch könnten dann auch die mit diesen Modellen erzeugten Endprodukte noch nachträglich zumindest kennzeichnungspflichtig werden. Theoretisch. So richtig glauben muss man das allerdings nicht.
Die rundum sicher nutzbaren KI-Modelle der Zukunft könnten womöglich jene sein, die ausschließlich auf Basis rechtlich geklärter Inhalte trainiert werden. Das könnte auch bedeuten, dass Firmen besonders sicher fahren, wenn Sie künftig KI vor allem mit Daten nutzen, die im eigenen Betrieb generiert worden sind.
Wobei dann aber streng darauf geachtet werden sollte, dass darunter keine personenbezogenen Daten sind, die auf fremde Server und Systemen gelangen. Denn wo Urheberrecht, Markenrecht und Persönlichkeitsrecht enden, fängt manchmal der Datenschutz erst an.
Aber hier reißt der Faden spätestens ab und es muss festgehalten werden: Letzte rechtliche Sicherheit gibt es wohl derzeit noch nicht. Aber in Bezug auf das Urheberrecht zumindest sehr logisch nachvollziehbare Positionen, die einige Content Marketer aufatmen lassen dürften. Oder nicht? Schreibt es in die Kommentare!